Digitale Welt: grenzenlose Verfügbarkeit und kulturelles Gedächtnis

Unser Selbst- und Weltbild wird bisher entscheidend durch die überlieferten Zeugnisse vorheriger Generationen geprägt. Dies wurde von den Kulturwissenschaftlern Jan und Aleida Assmann mit dem Begriff „kulturelles Gedächnis“ bezeichnet. Das kulturelle Gedächtnis wird als Sammelbegriff für den jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümlichen Bestand an Texten, Bildern, Klängen, Riten etc. definiert, die wieder gebraucht werden können.
Durch äussere Einwirkung, durch Kriege, gezielte Zerstörungen und natürliche Zersetzungsprozesse war das kulturelle Gedächtnis zwar bisher immer auch bedroht. Jedoch haben sich die Gesellschaften bemüht, durch systematische Archivierung ihr kulturelle Erbes langfristig und sicher zu bewahren.
Die digitale Revolution hat nun Bedingungen hervorgebracht, die das Fortbestehen des kulturellen Gedächtnisses an sich grundsätzlich in Frage stellen. So haben die Diskussionen über die Ethik bei der Erhaltung von lokalen Musiken als wesentlichen Teil unseres kulturellen Erbes gerade erst begonnen.

  • Welche politische Instanzen entscheiden über Auswahl, Speicherwürdigkeit, Behandlung, Erforschung und Zugänglichkeit von Musik in digitaler Form ?

 

  • Sind Musikarchive überhaupt verpflichtet Musik zu digitalisieren und zu erhalten?

 

  • Sind Musikarchive überhaupt in der Lage, die bisherigen Standards bei der Konservierung von Musik weiter einzuhalten ?

 

  • Wie kann Musik über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte gesichert bewahrt werden, wenn die technische Halbwertzeit der digitalen Systeme heute unter zehn Jahre beträgt ?

 

  • Sollen / müssen neue Standards für die Sammlung digitaler Musik entwickelt und als international verbindlich vereinbart werden?

 

  • Kann finanziell und technisch nur eine Auswahl von Musik digital archiviert werden ?

 

  • Welche Kriterien sollen über die Überlieferung oder das Untergehen von Musiken entscheiden ?

 

  • Gibt es mit den Online Plattformen myspace / iTunes / Amazon etc. neue globale Musikarchive ?

 

  • Wie werden die Musikproduzenten, Archivare und Computer-Administratoren für die Erfordernisse der Archivierung und Pflege digitaler Musik ausgebildet ?

 

  • Erhöht sich die Datensicherheit mit jeder neuen Generation von digitalen Speichermedien ?

 

  • Welche neuen politischen Dimensionen (Zensur, Manipulation, Authentizität etc.) hat digitalisierte Musik ?

 

  • Was bedeutet Originalität der Musik im digitalen Zeitalter (sampling) ?

 

  • Was bedeutet dies für das kulturellen Gedächtnis der Menschen weltweit ?

 

  • Sollte Musik als immateriell und vergänglich betrachtet werden ?

 

  • Sollte digitale Musik generell unter die UNESCO Konvention zum immateriellen Weltkulturerbe fallen?


Weiterführende Links:
DISMARC - Discovering Music Archives
Europeana - Europäische Digitale Bibliothek

Johannes Theurer
DISMARC / Berlin

Holger Grossmann
Fraunhofer Institut Illmenau, Projektleiter GlobalMusic2.1



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